Arbeitertum

Für eine klassenlose Gesellschaft | Gegen die imperiale Weltordnung | Für Volkstümlichkeit und Tradition

August Winnig – Intellektuelle und Arbeiter

(Die Kommenden, 8. Juni 1928)

Parteisozialismus ist ein widerspruchsvolles Wesen. Parteisozialismus ist eine arbeitertümliche Masse und eine kleinbürgerliche intellektuelle Oberschicht. Die arbeitertümliche Masse gibt die Kraft, und die intellektuelle Oberschicht gibt den Geist. Diese vom Geist des kleinbürgerlichen Intellektuellen geführte und verfälschte Masse – das ist der Parteisozialismus.

Dieser Parteisozialismus lebt nicht aus dem Geiste des Arbeiters, sondern aus dem Geiste des Intellektuellen. Und dieser Intellektuelle weiß nichts vom Arbeiter. Das heißt: er weiß vom Arbeiter, dass er aus vielerlei Gründen unzufrieden ist. Doch geht es ihm nicht darum, dieser Unzufriedenheit Genüge zu tun, sondern sie im Gegenteil wachzuhalten, anzustacheln und nie stumpf werden zu lassen. Denn der eigentlichen geschichtlichen Sendung des Arbeiters ist sich der Intellektuelle nicht bewusst. Er bemüht sich auch nicht darum, er will ihrer gar nicht bewusst werden. Er hat seine eigene Sendung, und nur dieser dient er. Er denkt vom Arbeiter viel zu gering, als dass er ihm gestatten würde, eine eigene Meinung vom geschichtlichen Wesen und Ziel der Arbeiterbewegung zu haben.

Der Arbeiter hat zu zahlen, hat die Schriften des Intellektuellen zu kaufen und zu lesen, hat die Staffage der Menschenmassen zu bilden, hat als Masse bei den Demonstrationen, bei den Versammlungen und Wahlen anzutreten – das alles ist die Pflicht des Arbeiters, und diese Pflicht wird ihm täglich ins Gewissen eingeprägt: Arbeiter, lest eure Presse! Arbeiter, erscheint in Massen! Aber wenn dieser Arbeiter den Anspruch stellt, von sich aus den Geist seiner Bewegung zu bestimmen, so wird er beiseitegeschoben; denn das ist nicht seine Sache – das ist die Sache der Intellektuellen.

Das ist das Verhältnis zwischen der arbeitertümlichen Masse und der intellektuellen Oberschicht im Parteisozialismus.

Wer erinnert sich nicht noch der Anfeindungen, die Legien, Bömelburg, Hue, Rexhäuser erlebt haben, weil sie Kühnheit hatten, als Arbeiter Richtung und Ziel der Arbeiterbewegung bestimmen zu wollen? Wer hätte diese Kämpfe zwischen der arbeitertümlichen Gewerkschaftsführung und dem Parteiliteratentum vergessen?

Das alles ist Geschichte geworden und hat seinen bedeutenden Sinn gehabt. Aber es hat heute noch seinen Sinn. Denn dieser Kampf zwischen arbeitertümlicher Masse und intellektueller Oberschicht ist nicht endgültig begraben. Er ruht heute, weil der arbeitertümliche Wille mit der deutschen Widerstandskraft im großen Kriege zusammenbrach. Dieser Wille hat sich bis heute von jener Niederlage nicht erholt. Sie halten heute alle still, die damals während der harten Kriegszeit den Willen des deutschen Arbeiters zum Staat betont und vertraten. Sie halten heute alle still und folgen der Führung der intellektuellen Oberschicht. Nie, selbst nicht in den Anfängen der Arbeiterbewegung, war der arbeitertümliche Wille so schwach und war die Herrschaft der Literaten so unumschränkt wie heute.

Der Literat, der Intellektuelle – was will er, was sucht er in der Arbeiterbewegung? Es ist eine kleinliche Auffassung, dass der bürgerliche Intellektuelle in der Arbeiterbewegung nur sein Brot suche. Gewiss fehlt es auch nicht an solchen Wichten. Aber nicht diese sind der eigentliche Typus des Intellektuellen.

Der Typus des parteisozialistischen Intellektuellen ist der mit seiner Herkunft zerfallene Mensch bürgerlicher Prägung. Er ist ein Abfallprodukt der deutschen Geschichte – er ist ein tragischer und im Grunde bedauernswerter Mensch. Das mannigfache Elend der deutschen Vergangenheit hat ihn auf dem Gewissen. Dieser parteisozialistische Intellektuelle, als Typus genommen, lebt nicht aus deutschem Lebensgefühl, er steht im Banne des westeuropäischen Denkens, für welches alles Deutsche roh, rückständig und reaktionär ist. Sein Vorbild ist der Westen, ist England oder Frankreich. Den Westen verehrt er, deutsches Wesen verachtet er. Der Westen ist ihm die Heimat des Geistes, dorthin geht seine Liebe. Dort sieht er nur Gutes – in Deutschland sieht er nur Schlechtes. Der Westen hat immer recht, auch wenn er Deutschland misshandelt, ausplündert und knechtet. Die Staaten des Westens sind ihm von Gerechtigkeit, Humanität und Weisheit erfüllt. Der deutsche Staat ist ihm der Inbegriff der Rohheit, des Unrechts, der Unkultur. Er ist der Verneiner jeder deutschen Autorität, der Feind aller volkseigenen Form, er verleugnet und lästert die deutsche Vergangenheit und sieht in jedem Versuch, deutsches Wesen und deutsches Recht zur Geltung zu bringen, ein unheilvolles, verwerfliches, hassenswertes Beginnen. Aus dieser am Westen kranken Geistesverfassung hat er dem deutschen Arbeiter alles verekelt, was zum deutschen Wesen gehört.

Hierin sieht der Intellektuelle im Parteisozialismus seinen Beruf. Seine Aufgabe ist es, den deutschen Arbeiter zu entdeutschen, ihn dem Bildungsideal anzunähern, das dieser entwurzelten Art entspricht. So ist dieser Intellektuelle ein tragischer, aber auch ein verächtlicher Mensch und ein Schädling am deutschen Volke und der deutschen Arbeiterbewegung. Denn seinem Einflusse ist es zuzuschreiben, dass der deutsche Arbeiter bis heute noch nicht fähig geworden ist, das hervorzubringen, wonach das deutsche Schicksal verlangt: die neue Führung der Nation. Wie könnte die deutsche Arbeiterbewegung der Nation gerecht werden, wo sie durch ihre undeutsche Führung von den Aufgaben der Nation ferngehalten wird?

Eine Antwort zu “August Winnig – Intellektuelle und Arbeiter

  1. Aristo-Demokrat Februar 14, 2011 um 1:27 pm

    Guter Artikel. Die Gesinnung des Linksintelektuellen vollkommen erfasst.
    Sicher auch auf andere westliche Länder übertragbar. Das Ideal liegt immer in der rosagemalten Fremde.
    Der Marxist will keine Aufhebung der Klassengesellschaft, sondern mit seinesgleichen selbst die herrschende Klasse bilden.

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