Arbeitertum
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Feminismus und heroische Tradition
Januar 5, 2011
Verfasst von - Von Julius Evola, in: Der Ring, 6. 6. 1933.
Von der Prämisse ausgehend, daß als Vollkommenheit das Qualitative und Differenzierte, als Unvollkommenheit das Quantitative und Formlose anzusehen ist, wurde bereits von gewisser Seite der Beweis versucht, der vielgepriesenen abendländischen Kultur die Bedeutung nicht einer Evolution, sondern eines Rückgangs, einer Involution zuzusprechen.
Heute haben verschiedene tragische Ereignisse endlich die meisten von den Mythen eines billigen Optimismus abgebracht, so daß wir imstande sind, die Wahrheit dieses scheinbaren Paradoxes zu empfinden. Schon seit Jahrhunderten unterliegt die westliche Welt einem furchtbaren Vorgang der Nivellierung. Seine politischen Erscheinungsformen – vom Liberalismus und Demokratismus hinüber bis zur bolschewistischen Massenmenschenkultur – sind nur besondere und schon äußerliche Phänomene.
Nicht nur sind heute die Unterschiede von Kaste und innerer Würde, denen unsere antiken Traditionen ihre Größe verdanken, unterhöhlt: ein gleichartiger Rückbildungsprozeß setzt als Ideal für die Zukunft, nach vollzogener Nivellierung zwischen Mensch und Mensch, auch die Nivellierung zwischen Geschlecht und Geschlecht. Aus demselben, in so vielen Verfallserscheinungen der modernen Welt feststellbaren antiaristokratischen und antihierarchischen Streben bildet sich das feministische Phänomen heraus, dessen akutester Ausdruck aber in den beiden Ländern zu finden ist, die sich wie die beiden Scheren einer einzigen Zange von Osten und Westen her um unser Europa zusammenschließen: Rußland und Amerika. Die bolschewistische Gleichberechtigung der Frau dem Mann gegenüber in jeder sozialen, rechtlichen und politischen Hinsicht findet in der Tat vollständige Entsprechung in der Emanzipation, die die Frau durch den Feminismus jenseits des Ozeans schon erlangt hatte.
Eine Gegenüberstellung wird uns helfen. Um uns die, solchen modernen Wendungen eigene, Abwegigkeit klarzumachen und gleichzeitig die Werte zu bestimmen, die wieder zur Normalität führen könnten, werden wir kurz auf die Lebensanschauung zurückgreifen, die allen großen arischen Kulturen, besonders der klassischen, griechisch-römischen, weiter nordisch-römischen Welt zu eigen war.
Der Kult der Form – der Form als Ordnungs- und Unterscheidungsgesetz – war der Mittelpunkt einer derartigen Lebensauffassung. Die Welt ist Kosmos und nicht Chaos, insofern sie, gleich einem vollkommenen Organismus, aus einer Anzahl wohl differenzierter und unauswechselbarer Teile und Funktionen herausgebildet ist. „Wahrheit“, Endziel solcher Teile, ist es nicht, durch die Auflösung ihrer Individuation zu dem Zustand zurückzukehren, wo sie noch eins waren, sondern: immer mehr sie selbst zu sein, immer genauer ihre Eigennatur auszudrücken bis zur Verwirklichung absoluter Individuationen, die als Voraussetzung für die größte Mannigfaltigkeit und Bestimmtheit des Alls aufgefaßt wurden. Auf solchem Weg gestaltete sich auch die Grundlage für eine hierarchische Ordnung in der Familie, der gens, der Stadt, und schließlich im Reich selbst, eine Hierarchie, die sich nicht durch Gewalt und Unterdrückung, sondern spontan, aus der Anerkennung der Naturunterschiede zwischen Menschen, Geschlechtern und Rassen herausbildete.
In seiner empirischen Unmittelbarkeit ist selbstverständlich kein Wesen nur es selbst. Entgegengesetzte Naturen tauchen auf und widerstreiten in ihm. Ein solcher Zustand der Mischung wurde aber als Unvollkommenheit betrachtet, als Ziel der Ethik und selbst der Asketik galt traditionell ihre Überwindung bis zur Setzung von Typen, die nur und vollständig „sie selbst“ sind: etwa wie lebendige, von einem Künstler aus formloser Materie gestaltete Statuen. Was nun besonders die Geschlechter angeht, so stellen sich Mann und Frau als zwei Typen dar – und wer als Mann geboren ist, soll sich als Mann, wer als Frau, sich als Frau vollenden, durch und durch, im Körperlichen und im Seelischen, mit Überwindung jedwelcher Durcheinandermischung. Auch auf dem geistigen Plan sollen Mann und Frau jeder einen eigenen Weg beschreiten, der nicht ohne Verwirrung und Widerspruch verlassen werden darf.
In der uns als normal geltenden Welt, wo die auf Höhen heimische Freiheit und jene innere Kühnheit herrschte, ohne welche das Leben eine schmutzige Angelegenheit und sinnlos ist – in einer solchen Welt galt aber als wesentliches Merkmal der Männlichkeit die innere Genügsamkeit und Herrschaft, das „an sich Sein“, eine aus Kraft gebildete Reinheit – und diesem Ziel waren zwei große Wege gewiesen: der Weg der Aktion und der Weg der Kontemplation. Im Krieger, bzw. Helden, und im Asketen kamen also die beiden Grundtypen der reinen Männlichkeit zum Ausdruck. Symmetrisch zu solchen Typen gibt es zwei für die Weiblichkeit. Die Frau verwirklicht als solche, erhebt sich zu demselben Niveau auf dem der Mann als Krieger und Asket steht, insofern sie Geliebte und Mutter ist. Wie es einen aktiven, so gibt es auch einen negativen Heroismus. Dem Heroismus der absoluten Behauptung steht der Heroismus der absoluten Hingebung gegenüber – und der eine kann so leuchtend sein, wie der andere, wenn er mit Reinheit, etwa wie eine rituelle Opfergabe erlebt wird. Eben diese Doppelheit des Heroischen bestimmt den Unterschied zwischen den Wegen zur Vollendung für den Mann und die Frau. Der Haltung des Kriegers und des Asketen, von denen der erste durch die reine Tat, der andere durch eine männliche Abgeschiedenheit sich in einem Leben behauptet, das jenseits des Lebens steht – entspricht in der Frau der Heroismus des Schwungs, wodurch sie sich gänzlich einem anderen hingibt und für einen anderen hingibt und für einen anderen da ist, sei es ihr Mann (Typ der Geliebten, entsprechend dem des Kriegers), sei es ihr Sohn (Typ der Mutter, entsprechend dem des Asketen), und in solchem Verhältnis den höheren Sinn des eigenen Lebens, ihre Freude und – im Grenzfalle – ihre Erlösung findet. Die immer entschlossener geführte Verwirklichung dieser beiden, getrennten und unverwechselbaren Richtungen des Heroischen mit Beseitigung all dessen, was im Manne weiblich und in der Frau männlich ist, bis hin zur Vollendung einer absoluten Frau gegenüber einem absoluten Manne – dies ist das traditionsverwurzelte, normale Gesetz für die Geschlechter.
Wir brauchen kaum anzudeuten, in welchem Gegensatz solche Ansichten zu den nivellierenden und humanitären Grundsätzen stehen, die in den letzten Zeiten die Moral, das Recht, die Gesellschaftsordnung, ja sogar das Ideal des Erkennens und des Schaffens des abendländischen Menschen beherrscht haben. Auf dieser Grundlage läßt sich auch der Geist und das Gesicht des modernen Feminismus begreifen.
Tatsächlich war es undenkbar, daß eine Welt, die die Kasten „überwunden“ und – um uns im jakobinischen Jargon auszudrücken – jedem Menschen seine „Würde“ und seine „Rechte“ wiedergegeben hat, das Gefühl des richtigen Verhältnisses zwischen den Geschlechtern hätte bewahren können. Die „Emanzipation“ der Frau mußte schicksalmäßig derjenigen der Sklaven und der Verherrlichung der Standes- und Traditionslosigkeit, d.h. des antiken Paria folgen. Und man hat eine Abdankung für eine Eroberung gehalten.
Nach Jahrhunderten der „Versklavung“ wollte die Frau frei werden und für sich selbst bestehen. Der Feminismus war aber nicht imstande, der Frau eine andere Persönlichkeit zu verleihen, als sie die bloße Nachahmung der männlichen geben kann. Dadurch sind ihre Ansprüche nichts als eine Maske für eine gründliches Mißtrauen der neuen Frau ihr selbst gegenüber: d.h. für ihre Unfähigkeit, zu sein und zu gelten, was sie ist; als Frau und nicht als Mann. Dem Feminismus liegt die Prämisse zugrunde, daß die Frau als solche keinen Wert hat, daß sie nur gelten kann, insofern sie so weit wie möglich zum Manne wird und dieselben Prärogativen des Mannes in Anspruch nimmt. Daher ist der Feminismus ein Symptom der Entartung im strengsten Wortsinn. Und wo die traditionsverwurzelte Ethik verlangte, daß Mann und Frau immer mehr sie selbst werden, mit immer kühneren Prägungen das ausdrückten, was den einen zum Manne, die andere zur Frau stempelt – da sehen wir, daß die „modernen“ Bewegungen nach Nivellierung streben, nach einem Zustand, der tatsächlich nicht jenseits, sondern diesseits der geschlechtlichen Individuation und Differenzierung liegt.
Andererseits: was der Feminismus auf der praktischen Ebene im Auge hatte, war der von den Banken, Ämtern, Märkten und den anderen leuchtenden Zentren des modernen Lebens geschaffene Homunkulus. Dem Feminismus wurde daher der Beweis nicht schwer, daß auch die Frau mehr oder weniger dieselben intellektuellen und praktischen Anlagen hat, die das Recht, die Autonomie und die „Überlegenheit“ des neuen, Schatten seiner selbst gewordenen, männlichen Typus begründen. Der Mann andererseits hat den Dingen ihren Lauf gelassen, ja er hat sogar nachgeholfen, hat die Frau in das öffentliche Leben, in Ämter, Schule, Werkstätte und die übrigen verderblichen Angelegenheiten der modernen Gesellschaft und Kultur gedrängt. Dadurch wurde der letzte nivellierende Anstoß gegeben.
Und in einer Welt, wo der Boxer, Cowboy und jüdische Bankherr anstelle des Asketen und Kriegers als höchster männlicher Typus angetreten sind, scheint die geistige Entmannung des modernen materialisierten Menschen oft den alten Vorrang des aphrodisischen Weibes über den durch die Sinnlichkeit vertierten, in sinnloser Weise für sie arbeitenden Mann zu neuem Leben hervorgerufen zu haben. Auf der anderen Seite: die Spielarten einer geschlechtlichen Korruption und Erbitterung, die von ebensoviel Oberflächlichkeit begleitet ist, oder die Entartung des weiblichen Typs sogar in seinen physischen Merkmalen, die Atrophie der naturhaften Möglichkeiten der Frau, die Erstickung ihrer Innerlichkeit. Daher der Typ garçonne, das vermännlichte, sportive Mädchen; leer, unfähig jedwelchen Schwungs jenseits ihrer selbst, ja schließlich unfähig sogar der Geschlechtlichkeit selbst: da im modernen Weib die Möglichkeit nicht nur der Mütterlichkeit, sondern selbst der Liebe im letzten Grunde nicht ein so wesentliches Interesse erwecken, als sonst das Sich-schön-machen, sich mit Kleidern – oder mit so wenig Kleidern als möglich – schmücken, das physische Training, der Tanz um des Tanzes willen, und so weiter.
Dabei ist leicht vorherzusehen, wohin auch in materieller Hinsicht die Verhältnisse zwischen den beiden Geschlechtern auf dieser Grundlage münden müssen. In der Liebe, wie im Magnetischen und Elektrischen, ist der schöpferische Funke desto größer und lebendiger, je entschlossener die Polarität, d.h. die Differenzierung der Geschlechter ist: je mehr der Mann wirklich Mann und die Frau wirklich Frau ist. In der Welt der „evoluten“ und „emanzipierten“ Frau kann es wohl die Promiskuität einer zweideutigen Kameradschaft, von blassen „intellektuellen“ Sympathien oder einen neuen banalen kommunistischen Naturismus geben: nicht mehr aber die Liebe in jenem tiefen elementaren Sinn aufgefaßt, in dem die Alten in ihr eine kosmische Urkraft erkannten.
So wie der soziale Egualitarismus die früheren männlichen lebendigen Beziehungen zwischen Krieger und Krieger, Fürst und Untertan abgeschafft hat, so wird gleichfalls der feministische Egualitarismus immer mehr zu einer geschmacklos entstellten Welt führen. Die Vorhut einer solchen Welt – Rußland und Amerika – ist bereits vorhanden und vermittelt uns die bedeutsamsten Warnungen.
Alles steht aber im Zusammenhang, sowohl im Verfall wie in der Wiedergeburt. Wenn von der Dekadenz der modernen Frau gesprochen wird, muß jedoch nicht vergessen werden, daß letzten Grundes der Mann für eine solche Dekadenz verantwortlich ist. Wie die Plebs nie in alle Gebiete des sozialen und kulturellen Lebens einbrechen hätte können, wenn Könige und Aristokraten wirklich fähig gewesen wären, Schwert und Zepter in ihren Händen zu halten, so hätte in einer von wirklichen Männern geführten Gesellschaft die Frau nie den Weg der heutigen feministischen Entartung einschlagen können und wollen. Deshalb müßte die wahre Reaktion sich weniger gegen die Frau, als gegen den Mann richten. Man kann nicht verlangen, daß die Frau wieder ihrer Natur treu werde, solange der Mann nur das Zerrbild seiner selbst kennt und verherrlicht. Jedem äußeren Schein zum Trotz: nur im Geiste ist das Geschlecht wahr und unbedingt. Die Reintegration des modernen Menschen im traditionsgebundenen Sinne, d.h. im Sinne einer aristokratischen Überlegenheit, einer asketischen und kriegerischen Würde, einer dorisch-arischen Reinheit ist der Reintegration des männlichen Typs selbst gleichbedeutend und – sei sie auch nur in einer Elite vollzogen – stellt sich als unerläßliche Voraussetzung dar nicht nur für unseren politischen Wiederaufbau, sondern auch für die Wiederherstellung der richtigen Beziehungen zwischen den Geschlechtern, die Beseitigung der feministischen Irrlehre im Namen eines neuen „heldischen“ Stils und die Rückkehr der Frau zu ihren naturhaften Möglichkeiten von Feuer, Licht und befreiender Hingabe.
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